Kann die Schule von heute noch die Schule von morgen sein?

Monat: März 2022

Der Ort meiner Träume

Und plötzlich ist es da, dein „Traumhaus“, der Ort, der wie für dich gemacht ist. Der Platz an dem du dich wohl fühlst.
Ich weiß noch, wie ich damals, mit 11 zum ersten Mal Richtung Internat gefahren wurde.

Nach Bozen, etwas mehr als 100 km von Zuhause entfernt. Unsere Landeshauptstadt und damals die einzige Möglichkeit, das Konservatorium zu besuchen. Ich wollte immer Konzertharfinistin werden. Dazu haben weder Talent noch Fleiß gereicht.

So sehr mich das mit der Harfe heute noch wurm, so sehr muss ich gestehen, dass ich das Internat geliebt habe. Es war ein großes Haus, geführt von den Barmherzigen Schwestern. Ein Gemüsegarten auf der einen Seite, daneben ein Park und auf der Rückseite ein Volleyballplatz MIT Netz, zwar geteert, aber wen hat das schon gestört?

Ein Ort, den ich mit Freude verbinde, mit Freundschaften, mit Mädchen (in den ersten Jahren mehr als 100!) und mit Regeln. Mit Studierzeiten und Streitereien, mit fixen Ausgehzeiten, Knabeninternaten, Tanzkursen und Diskussionen über Religion und Kirche und Freiheit und und und…

Ruhig war es dort selten. Wir hatten Schlafsäle. Im ersten Jahr ware es ein 4er Zimmer, die Schränke auf dem Gang, das Klo weiter weg, die Duschen auch. Aber es gab Tische an denen man arbeiten konnte, wenn man denn wirklich wollte.

Aber zum Arbeiten waren die Zimmer so nicht wirklich gedacht. Wir haben in den Studiersälen gelernt, ein kleiner für die jüngeren Schülerinnen, ein großer für die älteren. Und immer unter dem wachsamen Auge von Schwester Gabriela.

Trägt sowas noch? Ein Internat? Wenn ich versuche „Schule neu zu denken“ stoße ich immer wieder an die Grenzen meiner Erinnerung. Ich muss wohl anders denken, darf nicht von harten Fakten ausgehen, muss fühlen. Denn das was mir geblieben ist, ist zwar die Erinnerung an das Gebäude, aber das…

reicht nicht. Es ist mehr. Es ist das Gefühl der Verbundenheit. Das Internat in dem ich war, war nur die eine Hälfte der Wahrheit. Hier gab es Geborgenheit, ein Konzept in dem Nächstenliebe mehr war als nur eine Worthülse, und den Zusammenhalt von 100 Mädchen, wenn wir uns mal wieder von den „Schwestern“ verraten fühlten.

Auf der anderen Seite war da die Schule. Räumlich getrennt. Und wieder in einem kirchlichen Bau, diesmal Dominikaner. Ein Kreuzgang diente uns bei schlechtem Wetter als Pausenhof. Sechs Klassen -drei deutschsprachige, drei italienischsprachige-, Musikzimmer, Übungsräume, ein Spiegelsaal

und ein Konzertsaal. Und Musik. Überall, ständig. In meiner Klasse 18 Schülerinnen und Schüler, jede/r spielte ein Instrument. Uns verband ein gemeinsames Hobby: die Musik. Einige meiner Schulkameradinnen und Kameraden sind richtig gut geworden.

Musik war damals mein Leben und die Erinnerung an diese Räume ist geprägt von richtigen und schiefen Tönen, von stundenlangem Üben, von Chorkonzerten… und schon wieder von Gemeinschaft, Zusammenhalt, Zusammenspiel.

Und so komme ich -für mich- zu dem Schluss, Schule muss Gemeinschaft sein (heureka!), das ist nicht neu gedacht. Schule muss -auch heute wieder- Gemeinschaft ermöglichen. Wenn ich Schule neu denken will, vielleicht so gar #vomKindaus, dann darf ich weder von mir aus gehen, noch von einer bestimmten Altersgruppe, dann muss ich flexibel bleiben im Kopf und in meinen Annahmen.

Meine Schule war gut für MICH, das Internat war gut für mich. Aber darf ich mich deshalb hinstellen und sagen: Wenn ich Schule neu denke, dann sehe ich ein Internat, ein christlich geprägtes, geführtes Haus, mit klaren Regeln und Strukturen und mit der Möglichkeit, sich auch mal auszutesten und zu reiben?

Vielleicht muss das Internat nicht Voraussetzung sein, für (m)eine neue Schule“ wohl aber ein Wertekanon und Erwachsene, die sich den Kindern und Jugendlichen stellen und diesen die Möglich geben, selbst erwachsen zu werden, indem sie zeitgemäß unterrichten und christliche Werte vorleben und so erlebbar machen, das wäre für mich ein Anfang, ein erster Schritt zum „Ort meiner Träume“.

Schule im Wandel oder: Ist Schule bloß ein Gefühl?

Eigentlich bin ich ein Gewohnheitstierchen.
Eigentlich liebe ich meine Schule.
Eigentlich wollte ich da nie wieder weg.

Nach 7 Jahren sollte man wechseln.
Man sollte Platz für Neues schaffen.
Man sollte dem Neuen Platz geben.

Tatsache ist: Ich weiß das.
Die Frage, die sich mir stellt: Kann sich Beständigkeit im Wandel manifestieren? Was braucht es denn, damit eine Schule bestehen kann.

Schon immer lebte eine Schule von den Menschen.
Und wir alle wissen: Die Resultate, die Schüler:innen erzielen, hängen nicht von der Klassengröße oder der Ausstattung ab.

Chancen entstehen aus Veränderungen heraus. Ist es dann eine Chance für eine Schule, wenn sich das Kollegium regelmäßig verändert? Und wer muss blieben? Die Schulleitung? Die Klassenlehrer:innen? Wer ist wichtig, wer ersetzbar?

Heute glaube ich noch nicht daran, dass „jeder ersetzbar“ ist. Ich bin der sicheren Überzeugung, dass die Menschen die Schule machen. Vielleicht ist es nicht die Schulleitung, die unersetzbar ist.

Eine Schule ist mehr als ihre Lehrer:innen. Eine Schule ist mehr als die Schulleitung, eine Schule ist mehr als ihre Mitarbeiter:innen im Sekretariat. Soviel steht fest.

Ich bin nach Jahren wieder mal an „meine“ Schule zurückgekehrt, an die Schule die ich als Kind besucht habe. Ich hab dort auch mein Praktikum gemacht. Aber etwas war anders. Was ist passiert?

Die Schule ist nicht mehr „meine Schule“. „Meine Lehrer:innen“ sind nicht mehr da, die Schulleitung hat gewechselt, es ist umgebaut worden. Inzwischen beginnt die Schule sogar 15 Minuten früher… Die gute alte Zeit ist vorbei.

Und irgendwie tu ich mich schwer damit. Das Traumbild, das ich hatte, ist weg. Die Schule ist modernisiert worden. Der Pausenhof ist schöner, die Aula wurde vergrößert, die Fenster schließen…

Nicht, dass mir irgendwas davon „damals“gefehlt hätte.
Worauf ich, glaube ich, hinaus will: Schule ist ein Gefühl. Das Gebäude und die Personen die „uns Kinder“ begleitet haben, waren schon wichtig, aber sie waren nicht das, was uns nachhaltig beeindruckt hat (wenigstens nicht alle).

Ganz tief in mir drin wird mir klar, was Schule zu dem gemacht hat, was sie mir gewesen ist: meine Freunde. Die Lehrer:innen sind nicht nur für den Lernerfolg verantwortlich, das wissen wir seit „Hattie“ sondern mindestens so sehr, wie die Mitschüler:innen und alle anderen Wegbegleiter:innen für das Gefühl. Das Gefühl, das Schule ausmacht.

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