Kann die Schule von heute noch die Schule von morgen sein?

Kategorie: Lehrer:innenleben

IQB-Bildungstrend …

Doch Schule neu denken?

Da denkst du nichts Böses und dann kommt da so eine Studie und sagt: „Je nach Kompetenzbereich verfehlen im Schnitt 18 bis 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler die Mindeststandards“ (https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/iqb-bildungstrend-die-wichtigsten-ergebnisse/).

Und dann fragst du dich, was du in den letzten Jahre verpasst hast, als Teil des Systems, das „zuständig“ ist.
Du hast doch alles getan, um Schüler:innen Kopetenzen zu vermitteln. Oder zumindest Wissen. Ist ja eigentlich das selbe.

Und überhaupt: Du bist ja nicht verantwortlich. Die anderen haben es falsch gemacht. Die, die nicht in der Lage waren, die Kinder zu begeistern und zum Lernen zu motivieren…

OK, vielleicht ist dieser Blick doch etwas zu einfach.
Vielleicht hängst du als Lehrer:in doch mit drin.
Vielleicht sind auch nicht die Kolleg:innen schuld sonden das System?
Und vielleicht würde ein zweiter Blick doch helfen…

Inzwischen ist es nicht mehr neu:
Ich bin eine Verfechterin von #Schuleneudenken und von #vomKindaus. Und ich steh nicht so auf Worthülsen, sehr wohl aber auf Wörter und Worte, denn ich bin überzeugt, dass Worte Bilder in Köpfen hervorrufen, und dass diese Bilder etwas mit uns Menschen machen.

Schule im Wandel oder: Ist Schule bloß ein Gefühl?

Eigentlich bin ich ein Gewohnheitstierchen.
Eigentlich liebe ich meine Schule.
Eigentlich wollte ich da nie wieder weg.

Nach 7 Jahren sollte man wechseln.
Man sollte Platz für Neues schaffen.
Man sollte dem Neuen Platz geben.

Tatsache ist: Ich weiß das.
Die Frage, die sich mir stellt: Kann sich Beständigkeit im Wandel manifestieren? Was braucht es denn, damit eine Schule bestehen kann.

Schon immer lebte eine Schule von den Menschen.
Und wir alle wissen: Die Resultate, die Schüler:innen erzielen, hängen nicht von der Klassengröße oder der Ausstattung ab.

Chancen entstehen aus Veränderungen heraus. Ist es dann eine Chance für eine Schule, wenn sich das Kollegium regelmäßig verändert? Und wer muss blieben? Die Schulleitung? Die Klassenlehrer:innen? Wer ist wichtig, wer ersetzbar?

Heute glaube ich noch nicht daran, dass „jeder ersetzbar“ ist. Ich bin der sicheren Überzeugung, dass die Menschen die Schule machen. Vielleicht ist es nicht die Schulleitung, die unersetzbar ist.

Eine Schule ist mehr als ihre Lehrer:innen. Eine Schule ist mehr als die Schulleitung, eine Schule ist mehr als ihre Mitarbeiter:innen im Sekretariat. Soviel steht fest.

Ich bin nach Jahren wieder mal an „meine“ Schule zurückgekehrt, an die Schule die ich als Kind besucht habe. Ich hab dort auch mein Praktikum gemacht. Aber etwas war anders. Was ist passiert?

Die Schule ist nicht mehr „meine Schule“. „Meine Lehrer:innen“ sind nicht mehr da, die Schulleitung hat gewechselt, es ist umgebaut worden. Inzwischen beginnt die Schule sogar 15 Minuten früher… Die gute alte Zeit ist vorbei.

Und irgendwie tu ich mich schwer damit. Das Traumbild, das ich hatte, ist weg. Die Schule ist modernisiert worden. Der Pausenhof ist schöner, die Aula wurde vergrößert, die Fenster schließen…

Nicht, dass mir irgendwas davon „damals“gefehlt hätte.
Worauf ich, glaube ich, hinaus will: Schule ist ein Gefühl. Das Gebäude und die Personen die „uns Kinder“ begleitet haben, waren schon wichtig, aber sie waren nicht das, was uns nachhaltig beeindruckt hat (wenigstens nicht alle).

Ganz tief in mir drin wird mir klar, was Schule zu dem gemacht hat, was sie mir gewesen ist: meine Freunde. Die Lehrer:innen sind nicht nur für den Lernerfolg verantwortlich, das wissen wir seit „Hattie“ sondern mindestens so sehr, wie die Mitschüler:innen und alle anderen Wegbegleiter:innen für das Gefühl. Das Gefühl, das Schule ausmacht.

Warum ich mir eine „neue Schule“ wünsche…

Ich bin Lehrerin, mit Leib und Seele. Das könnte inzwischen durchgesickert sein. Ich war Schülerin mit Leib und Seele und mit allem, was Schüler so zu bieten haben. Auch das hab ich an der einen oder anderen Stelle schon erwähnt. Als ich während der Lehramtsausbildung mein zweiwöchiges Praktikum an meiner ehemaligen Schule gemacht habe, wusste ich DAS ist mein Beruf, meine Berufung. Die Kommentare meiner „ehemaligen“ Lehrer waren sehr interessant:

Mein Kunstprof, der mich während der Schulzeit recht selten gesehen hatte -ich konnte einfach nicht mit ihm-, meinte:
„Super, zuerst hast du uns Lehrer genervt, jetzt willst du Schüler nerven…“ Meine Philosophie-/Geschichtslehrerin sagte ganz trocken:
„Ich wünsche dir, dass du alles das zurückbekommst, das du uns angetan hast.“ Und das meinte sie sicher nicht nur böse, denn eigentlich mochten wir uns.

Meine Deutschlehrerin war schon damals mein großes Vorbild und ist es bis heute geblieben. Bei ihr durfte ich auch das Praktikum machen. Ich weiß noch, wie sie mich einmal dazu „gezwungen“ hat, mich endlich mit der Erörterung auseinanderzusetzen… Ich habe es gehasst, und auch das hat mich in meiner Entscheidung, Lehrerin zu werden, bestärkt. Sie wusste, mit mir umzugehen.

Etwas ist also schon während der Schulzeit entstanden. Vielleicht nicht der Wunsch zu unterrichten, aber das Gefühl mit Menschen können zu können. Und mich von Menschen inspirieren zu lassen. Vielleicht sollte man sich einfach mal fragen:

Reicht das denn? Oder reicht das denn nicht? Was muss ein guter Lehrer, eine gute Lehrerin denn heute können? Welches Wissen muss vermittelt werden? Schulwissen? „Lebensweisheit“? Geschichte und Geschichten?

Ich wünsche mir eine neue Schule, will #SchuleNeuDenken, will #vomKindaus aufs Kind schauen. Doch mit welchem Blick? Aus welcher Ecke und mit welchem Ziel?

Wenn ich ein Kind wäre (kann ich mich denn als Erwachsener überhaupt in Kinder hineinversetzen?), was würde ich wollen? Gute Noten? Viele Freunde? Selber Entscheidungen treffen?

Ich maße mir nicht an zu wissen, was gut für Kinder ist. Aber ich wünsche mir für MEINE Kinder Menschen, die sie an die Hand nehmen und ein Stück weit begleiten. Die den Weg mit ihnen gehen. Wieviele Stunden am Tag verbringen Kinder in der Schule? Und wieviele Stunden zu Hause?

Es ist glasklar, dass wir Eltern die Referenzpunkt für unsere Kinder sind. Wir waren das immer schon, wir werden es -hoffentlich- auch bleiben. Dieses Recht kann und wird uns keiner nehmen, ebensowenig wie diese PFLICHT.

Doch wie weit darf oder muss Schule sich einmischen? Ich höre immer wieder „Erziehungsauftrag“. Meine Deutschlehrerin hat ihn wahrgenommen. Sie hat an meiner Erziehung mitgewirkt, indem sie mir Vorbild war (und bis heute ist!!!).

Erziehung ist Auftrag und Recht der Eltern. Erziehung hat aber auch was mit Schule zu tun. Eine Schule, in der Eltern, Lehrpersonal und alle, die sonst zum Schulleben so dazugehören (Hausmeister:innen, Küchenpersonal, Sekretariatsangestellte, Erzieher:innen und Tagesheimangestellte, …), vertrauensvollen Umgang miteinander pflegen, sollte alltäglich sein.

Reicht ein „Werteabgleich“? Wer muss auf wen zugehen? Oder muss es Schulen für unterschiedliche „Leben“ geben. „Das Kind im Mittelpunkt“, wie es der Marchtaler Plan vorsieht, ist ein wunderbarer Gedanke, „Hilf mir, es selbst zu tun“ von Maria Montessori, geht in ebendiese Richtung. Viele christlich geprägten Schulen stehen ebenfalls für oder hinter so einer Pädagogik. Doch nicht immer verstehen alle, was damit gemeint ist.

Und so wünsche ich mir eine neue Schule. Eine Schule, die nicht um Schülerzahlen zittern muss, weil sie eine von vielen ist, die das anbietet, was alle anderen auch tun. Ich wünsche mir eine Schule, die dem Kind (vielleicht auch „dem Kind in MIR“) gerecht wird, die die Eltern nicht nur informiert, sondern mit einbindet, die Lehrerinnen und Lehrer einstellt, die sich mit den Werten der Schule und der Kinder identifizieren und so die Schule lebendig machen.

Wenn ich Schule neu denke, dann träume ich.
Und meine Träume sind bunt
und vielfältig
und voller Leben.

Was haben wir aus Corona gelernt?

Oder sollte ich fragen: „Haben wir aus Corona was gelernt?“ Oder DURCH Corona? Oder MIT Corona? Oder vielleicht WEGEN Corona?
In meinem Dafürhalten kommt es hier nicht auf die Formulierung an. Das Ergebnis ist nämlich immer das gleiche: Wir haben nichts gelernt.
Böses Statement? Nein.
Aber vielleicht hilft ein Blick durch unterschiedliche Brillen (nicht wirklich meine, aber die von vielen):

Die Mutter: „Herr, lass Corona endlich vorbei gehen. Wenn nochmal eine Schließzeit, nochmal Fernunterricht kommt, bekomme ich die Krise. Wie soll ich denn hier klarkommen?
Kinder betreuen, mit ihnen lernen, kontrollieren, ob alles gemacht wurde und nebenbei noch meine Arbeit. Die sollen die Schulen gefälligst offen lassen. Da lernen meine Kinder wenigstens was (und ich kann in Ruhe meiner Arbeit nachgehen).“

Die Lehrerin: „Also ganz ehrlich, wenn die jetzt wieder die Schulen schließen, bekomme ich meine Arbeiten nicht mehr geschrieben. Ganz abgesehen davon, dass ich den Stoff sowieso nicht durchbekomme. Andererseits: Der Fernunterricht hatte schon auch sein Gutes. Die Videokonferenzen waren viel besser strukturiert, als ich es sonst von meinem Unterricht kenne, die Schüler haben aber auch viel weniger gestört. Vielleicht ist das ja das Unterrichtsmodell der Zukunft? Ok, die Aufgaben haben sie nicht immer perfekt und manchmal auch gar nicht gemacht, aber das ist ja sonst auch so… Also liebes KM, wenn ihr die Schulen dicht machen wollt, dann bitte über einen Zeitraum von mehr als vier Wochen, dann passt das mit den Klassenarbeiten auch wieder.“

Die Schüler:innen: „Nicht schon wieder… lasst doch die Schulen offen. Wisst ihr eigentlich, wie ätzend das Zuhause war? Alle da, keiner für sich, und jeder am Motzen. Ich dachte immer, ich bin in der Pubertät, aber ganz ehrlich, ich glaub der Rest der Familie auch. Ist ja nicht so, dass es nur Mist ist im Fernunterricht. Da kann man sich toll wegducken, ohne dass es groß gesehen wird. So viele Serien wie im letzten Jahr hab ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Und das Zeugnis war ok, hat sich ja keiner getraut, schlechte Noten zu geben. War ja Corona.
Was mich schon angekotzt hat: Ich hab eigentlich kaum Zeit gehabt, was mit Freunden zu machen und der Sport war auch nichts. Wenn ich heute wählen dürfte, würde ich Schule wählen. Auch wenn die dann wieder voll stressen, weil sie jetzt noch auf Druck alle Klassenarbeiten schreiben wollen, falls die die Schulen doch nochmal zumachen.“

So oder ähnlich könnte es klingen.
Ich gebe zu, ich habe die Väter vernachlässigt. Warum? Weil ich mir (leider) ziemlich sicher bin, dass es die Rolle der Mütter ist, den „Schulausfall“ aufzufangen. Wenn die Väter selber im Homeoffices sind, ist das nochmal eine andere Sache und macht vermutlich auch keinen Spaß. Dann sind noch mehr Menschen auf engem Raum zusammen.

Worauf ich hinaus wollte: Wird Corona irgendwas hinterlassen haben, das mehr ist als digitale Müdigkeit, als der Frust über nicht unterrichteten Stoff und das Stoßgebet, es möge wenigstens Betreuung angeboten werden?
Immer wieder hört man von „Corona als Brennglas“, spricht man davon, dass Corona Mängel und Probleme deutlich gemacht hat. Das heißt dann ja aber: Es gab das alles schon vorher.
Und hier sind wir beim Thema:
Wenn wir nicht vom Kind aus denken, den Menschen in seiner Würde sehen, was sind wir dann, was ist SCHULE denn dann? Nichts weiter, als eine Aufbewahrungsstätte, ein Ort, der einem Curriculum verhaftet ist, das mehr von gestern als von morgen ist, ein Raum, in dem kein Raum für eigenständige Entwicklung bleibt, weil dafür die Zeit fehlt.

Was also muss eine Schule leisten, die sich dem Kind verschrieben hat? Und wie sehr spielen die Lebensumstände der Eltern hier auch eine Rolle?
Wenn wir „Schule neu denken“, Schule „vom Kind aus“ denken, müssen wir dann nicht auch die Lebensrealität unserer Kinder in den Blick nehmen? Und dazu gehört das familiäre Umfeld.

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