Wer hier schon mal reingeschaut hat, weiß, ich bin Lehrerin. Nicht nur „ein bisschen“, nicht nur der Ferien oder der Arbeitszeit wegen. Ich mag Kinder und Jugendliche und kann mir nicht viel Schöneres vorstellen, als diese zu begleiten. Und doch fange ich morgen etwas anderes an…

Anfang letzten Jahres (ich spreche natürlich von Schuljahren) war schon einmal „alles anders“ aber irgendwie war es wie zuhause ankommen. Ich hatte gewechselt vom Privatschuldienst zurück zum Staat, in DIE gewerbliche Schule, in der ich bereits 2008/9 meine Heimat gefunden habe, an meinen ersten Dienstort in Deutschland.

Schon damals hatte ich die „spannenden Kids“. Ich war vor allem im BEJ (Berufseinstiegsjahr) eingesetzt worden. Nach den ersten drei Wochen war ich fertig mit der Welt. Zwei Wochen später hatten wir uns schon fast sowas wie arrangiert. Und spätestens ab Anfang Dezember lies ich kein schlechtes Wort mehr über „meine Schüler“ (ich hatte tatsächlich NUR Jungs) kommen.

Ich war, wie 90% meiner Schüler damals, auch eine Ausländerin im Klassenzimmer. Und ich war, (auch wie 90% meiner Schüler damals) nie eine einfache Schülerin gewesen. Nach Startschwierigkeiten (danke den Kollegen, die mich in den ersten zwei Monaten immer wieder aufgebaut haben, schon damals) war mir wieder klar: DAS sind die Schüler, für die ich unterrichte, das sind die Schüler, die mich brauchen. Das sind die Schüler, mit denen ich mich wieder und wieder und wieder streiten werde, wenn sie davon profitieren. DIE Nerven hab ich.

Chillen war da irgendwie nicht, NIE. Oft hatte ich das Gefühl, mein Unterricht ist nichts. Und wenn ich „nichts“ sage, dann meine ich nichts. Egal ob supertoll vorbereitet oder eher Schwellendidaktik: ich hab keine Unterschiede gesehen. Und doch: irgendwas war da. Und schlussendlich haben alle Schüler bestanden. Alle hatten danach ihren Abschluss.

Heute frage ich mich, warum ich gegangen bin, zum zweiten Mal… Denn auch das vergangene Schuljahr war wunderbar. Bis zu den Herbstferien war es eine Katastrophe: Schule gewechselt (war dringend nötig aus unterschiedlichen Gründen. Und ich habe für mich gelernt: 7 Jahre…): von der gymnasialen Oberstufe an einer Katholischen Freien Privatschule wieder zurück an die gewerbliche Schule, zurück zu „meinen“ Kinder, jetzt mit anderem Namen: AV-Dual (Arbeits-Vorbereitungsklasse Dual), private Umbrüche, Neuorientierung im „Freundeskreis“… Und jünger bin ich ja auch nicht geworden.

Meine Kollegen hatten mich aufgenommen, als wäre ich nicht 11 Jahre weggewesen. Es war wie „zurückkommen“ in die Familie. Die Schüler:innen waren schrecklich: „Wenn ich Sie morgens sehe, Frau Stocker, bekomme ich das Kotzen“… Was ein Glück hab ich heute bloß acht Stunden in dieser Klasse…

Ich habe gelernt, dass ich das aushalte. Dass es auf die Beziehung ankommt ist ja nichts Neues. Neu waren die vielfältigen Herausforderungen im letzten Jahr. Die Schüler sind anders geworden, sie suchen NOCH mehr Halt, finden noch mehr Ablenkungen und brauchen auch oder vor allem in der Schule Menschen, die klar sind, die Klarheit geben und verlangen. Meine Schüler…

Trotzdem wechsle ich in einen Job, von dem ich weiß, dass ich erstmal nichts mehr mit Schülern zu tun haben werde. Und ganz ehrlich, das finde ich schrecklich. Vergesse ich so nicht, warum ich Lehrerin bin, warum ich das alles gemacht habe, gern und mit unglaublich viel Spaß und Freude?

Nein, ich glaube nicht. Und wie gesagt, ich habe gelernt: 7 Jahre…
Ich will etwas bewegen. Ich will -warum sonst hätte ich diesen Blog- Schule neu denken. Ich habe es versucht als „einfache“ Lehrerin… Graswurzeln und so, Entwicklung muss von unten kommen und so, … War nix, zumindest nicht genug für mein Gefühl.

Entwicklung geht halt nicht mal einfach so… Nun gut. Nächster Schritt: Weitere Ausbildung und dann Mitglied im Schulleitungsteam… Schön, besser bezahlt und auch nicht das Gelbe von Ei. Meine Erkenntnis: es gibt Menschen, die können das besser. Mein Zugang: ich mach dann mal, dann schau ich und dann sehen wir schon…

Heute sage ich: Es gibt für jede Schule eine Zeit und nicht alle Schulen müssen alles zugleich ändern. Außerdem hat jede Schule (und ich spreche jetzt mal nicht von der Organisation, sondern tatsächlich von Einzelschulen) eigene Bedürfnisse. Und -seien wir ehrlich- nicht immer können die Kinder an erster Stelle stehen, weil eben manchmal auch andere Variable zuerst geändert werden müssen.

Mein neuer Wirkungsort, meine neue Aufgabe bringt mich vielleicht, hoffentlich auch mit der „Entfernung“ vom Kind näher an die Möglichkeiten, Schulen im Sinne der Kinder und Jugendlichen weiterzuentwickeln. Mir ist klar, ich kann „Schule neu denken“ solange ich will, ich bin an die Eckpfeiler der Organisation gebunden, die mich beschäftigt. Und doch habe ich Freiheiten: Ich darf coachen, darf vermitteln, darf Richtungen aufzeigen und Strukturen ermöglichen.

Eigentlich ein guter Job… auch WENN mir die Kinder fehlen werden. Und die Kollegen. Und der tägliche Streit, ob die Hausaufgaben gemacht und als solche überhaupt sinnvoll waren.

Schule hat was von einem großen Containerschiff… manchmal müssen diese rückwärts in einen Hafen gezogen werden, damit sie bei Gefahr auch wieder auslaufen können. Sie sind nicht so wendig, aber sie haben kostbare Fracht. Vielleicht können wir auf etwas kleinere, wendigere Schiffe setzen in Zukunft.