Kann die Schule von heute noch die Schule von morgen sein?

Kategorie: Uncategorized

Was heißt eigentlich „zeitgemäß“?

Je länger ich über die Organisation „Schule“ nachdenke, umso mehr Bilder fallen mir ein… Und ganz ehrlich: nicht alle sind schmeichelhaft.
Lastenkähne, Kamele, überhitzte Kessel, …
Ich sehe alte, vergilbte Zeitungen, habe „Max und Moritz“ im Kopf. Ich bin wohl irgendwie zurückgeblieben, hinter der Zeit, nicht up-to-date.

Dabei weiß ich, dass Schulen inzwischen anders funktionieren. Die Schule von heute IST NICHT die Schule von gestern oder gar vorgestern. Und doch habe ich irgendwie nicht das Gefühl, dass sich Schule ernsthaft verändert hat.

Und ich denke zurück an einen Vortrag von Dirk von Gehlen (@dvg) am Digitalen Lehrerkongress in Gauting…

Aus dem Kopf sagte er sowas wie: „Auch wenn wir die Schule von morgen denken, ist das nicht zeitgemäß, bis wir sie umgesetzt bekommen. Wir müssen uns weiter in die Zukunft stellen und von dort aus denken.“

Tja, und genau da liegt das Problem: Wir sind ganz oft viel zu sehr in unseren Mustern und Ideen verhaftet. Wie sollen wir da von der Zukunft aus in die Gegenwart zurückdenken?

Wer kann so etwas? Dafür brauchen wir keine Ziele, wir brauchen Visionen.

Wo liegt der Zielpunkt, wo wollen wir hin? Und wie sieht es dort aus? Myrle Dziak Mahler (mydz.bsky.social) hatte sich auf der #molol23 ähnlich geäußert: „Stell dich doch einfach mal in die Zukunft und schau dann auf dein „Jetzt-ich“. Wie bist du dort hin gekommen? Welche Schritte würdest du deinem Ich empfehlen?“

Wenn ich wüsste, wohin ich will, dann wäre JETZT der Moment zu gehen. Aber einfach nur loslaufen um schneller anzukommen, ist halt auch blöd.
Und so werde ich versuchen, hier meine Ideen zu sammeln, zu strukturieren und vielleicht manchmal auch die vielen analogen und digitalen Lehrerzimmer mit einzubeziehen.

Gemeinsam lässt sich vielleicht eher eine Zukunft visualisieren.
Gemeinsam lässt sich vielleicht eher eine Vision in einen Zweck überführen.

Schulentwicklungsberatungs-irgendwas

Wer hier schon mal reingeschaut hat, weiß, ich bin Lehrerin. Nicht nur „ein bisschen“, nicht nur der Ferien oder der Arbeitszeit wegen. Ich mag Kinder und Jugendliche und kann mir nicht viel Schöneres vorstellen, als diese zu begleiten. Und doch fange ich morgen etwas anderes an…

Anfang letzten Jahres (ich spreche natürlich von Schuljahren) war schon einmal „alles anders“ aber irgendwie war es wie zuhause ankommen. Ich hatte gewechselt vom Privatschuldienst zurück zum Staat, in DIE gewerbliche Schule, in der ich bereits 2008/9 meine Heimat gefunden habe, an meinen ersten Dienstort in Deutschland.

Schon damals hatte ich die „spannenden Kids“. Ich war vor allem im BEJ (Berufseinstiegsjahr) eingesetzt worden. Nach den ersten drei Wochen war ich fertig mit der Welt. Zwei Wochen später hatten wir uns schon fast sowas wie arrangiert. Und spätestens ab Anfang Dezember lies ich kein schlechtes Wort mehr über „meine Schüler“ (ich hatte tatsächlich NUR Jungs) kommen.

Ich war, wie 90% meiner Schüler damals, auch eine Ausländerin im Klassenzimmer. Und ich war, (auch wie 90% meiner Schüler damals) nie eine einfache Schülerin gewesen. Nach Startschwierigkeiten (danke den Kollegen, die mich in den ersten zwei Monaten immer wieder aufgebaut haben, schon damals) war mir wieder klar: DAS sind die Schüler, für die ich unterrichte, das sind die Schüler, die mich brauchen. Das sind die Schüler, mit denen ich mich wieder und wieder und wieder streiten werde, wenn sie davon profitieren. DIE Nerven hab ich.

Chillen war da irgendwie nicht, NIE. Oft hatte ich das Gefühl, mein Unterricht ist nichts. Und wenn ich „nichts“ sage, dann meine ich nichts. Egal ob supertoll vorbereitet oder eher Schwellendidaktik: ich hab keine Unterschiede gesehen. Und doch: irgendwas war da. Und schlussendlich haben alle Schüler bestanden. Alle hatten danach ihren Abschluss.

Heute frage ich mich, warum ich gegangen bin, zum zweiten Mal… Denn auch das vergangene Schuljahr war wunderbar. Bis zu den Herbstferien war es eine Katastrophe: Schule gewechselt (war dringend nötig aus unterschiedlichen Gründen. Und ich habe für mich gelernt: 7 Jahre…): von der gymnasialen Oberstufe an einer Katholischen Freien Privatschule wieder zurück an die gewerbliche Schule, zurück zu „meinen“ Kinder, jetzt mit anderem Namen: AV-Dual (Arbeits-Vorbereitungsklasse Dual), private Umbrüche, Neuorientierung im „Freundeskreis“… Und jünger bin ich ja auch nicht geworden.

Meine Kollegen hatten mich aufgenommen, als wäre ich nicht 11 Jahre weggewesen. Es war wie „zurückkommen“ in die Familie. Die Schüler:innen waren schrecklich: „Wenn ich Sie morgens sehe, Frau Stocker, bekomme ich das Kotzen“… Was ein Glück hab ich heute bloß acht Stunden in dieser Klasse…

Ich habe gelernt, dass ich das aushalte. Dass es auf die Beziehung ankommt ist ja nichts Neues. Neu waren die vielfältigen Herausforderungen im letzten Jahr. Die Schüler sind anders geworden, sie suchen NOCH mehr Halt, finden noch mehr Ablenkungen und brauchen auch oder vor allem in der Schule Menschen, die klar sind, die Klarheit geben und verlangen. Meine Schüler…

Trotzdem wechsle ich in einen Job, von dem ich weiß, dass ich erstmal nichts mehr mit Schülern zu tun haben werde. Und ganz ehrlich, das finde ich schrecklich. Vergesse ich so nicht, warum ich Lehrerin bin, warum ich das alles gemacht habe, gern und mit unglaublich viel Spaß und Freude?

Nein, ich glaube nicht. Und wie gesagt, ich habe gelernt: 7 Jahre…
Ich will etwas bewegen. Ich will -warum sonst hätte ich diesen Blog- Schule neu denken. Ich habe es versucht als „einfache“ Lehrerin… Graswurzeln und so, Entwicklung muss von unten kommen und so, … War nix, zumindest nicht genug für mein Gefühl.

Entwicklung geht halt nicht mal einfach so… Nun gut. Nächster Schritt: Weitere Ausbildung und dann Mitglied im Schulleitungsteam… Schön, besser bezahlt und auch nicht das Gelbe von Ei. Meine Erkenntnis: es gibt Menschen, die können das besser. Mein Zugang: ich mach dann mal, dann schau ich und dann sehen wir schon…

Heute sage ich: Es gibt für jede Schule eine Zeit und nicht alle Schulen müssen alles zugleich ändern. Außerdem hat jede Schule (und ich spreche jetzt mal nicht von der Organisation, sondern tatsächlich von Einzelschulen) eigene Bedürfnisse. Und -seien wir ehrlich- nicht immer können die Kinder an erster Stelle stehen, weil eben manchmal auch andere Variable zuerst geändert werden müssen.

Mein neuer Wirkungsort, meine neue Aufgabe bringt mich vielleicht, hoffentlich auch mit der „Entfernung“ vom Kind näher an die Möglichkeiten, Schulen im Sinne der Kinder und Jugendlichen weiterzuentwickeln. Mir ist klar, ich kann „Schule neu denken“ solange ich will, ich bin an die Eckpfeiler der Organisation gebunden, die mich beschäftigt. Und doch habe ich Freiheiten: Ich darf coachen, darf vermitteln, darf Richtungen aufzeigen und Strukturen ermöglichen.

Eigentlich ein guter Job… auch WENN mir die Kinder fehlen werden. Und die Kollegen. Und der tägliche Streit, ob die Hausaufgaben gemacht und als solche überhaupt sinnvoll waren.

Schule hat was von einem großen Containerschiff… manchmal müssen diese rückwärts in einen Hafen gezogen werden, damit sie bei Gefahr auch wieder auslaufen können. Sie sind nicht so wendig, aber sie haben kostbare Fracht. Vielleicht können wir auf etwas kleinere, wendigere Schiffe setzen in Zukunft.

Wenn einer eine Schule „denkt“, …

…, dann kann er was erleben.

Woran denke ich, wenn ich „Schule“ höre?
Zuerst mal an das Gebäude.
Da kann man viel „neu denken“. Es gibt ja auch genügend Menschen, die das tun.

Und nicht jedes Gebäude ist gut für jede Schule.

Wenn ich versuche, „meine Schule“ zu denken, dann ist der Ansatz von @herr_foertsch mit drin, dann möchte ich #vomKindaus denken. Dabei ist klar, #vomKindaus ist nicht ausschließlich aus der Sicht der Kinder sondern viel eher mit dem Blick der und auf die Kinder.

Eine solche Schule muss also zwei Dinge bieten: Sie darf zum einen die Freude am Lernen nicht vermiesen und muss zum anderen aber gelingendes Lernen fördern.
Heute tendieren wir dazu, alte Schulgebäude zu „verteufeln“.

Aus gegebenem Anlass muss ich jetzt dann doch mal eben Thema wechseln… Und einmal laut in die Runde fragen, wer etwas anderes erwartet hatte…

Was haben wir aus Corona gelernt?

Oder sollte ich fragen: „Haben wir aus Corona was gelernt?“ Oder DURCH Corona? Oder MIT Corona? Oder vielleicht WEGEN Corona?
In meinem Dafürhalten kommt es hier nicht auf die Formulierung an. Das Ergebnis ist nämlich immer das gleiche: Wir haben nichts gelernt.
Böses Statement? Nein.
Aber vielleicht hilft ein Blick durch unterschiedliche Brillen (nicht wirklich meine, aber die von vielen):

Die Mutter: „Herr, lass Corona endlich vorbei gehen. Wenn nochmal eine Schließzeit, nochmal Fernunterricht kommt, bekomme ich die Krise. Wie soll ich denn hier klarkommen?
Kinder betreuen, mit ihnen lernen, kontrollieren, ob alles gemacht wurde und nebenbei noch meine Arbeit. Die sollen die Schulen gefälligst offen lassen. Da lernen meine Kinder wenigstens was (und ich kann in Ruhe meiner Arbeit nachgehen).“

Die Lehrerin: „Also ganz ehrlich, wenn die jetzt wieder die Schulen schließen, bekomme ich meine Arbeiten nicht mehr geschrieben. Ganz abgesehen davon, dass ich den Stoff sowieso nicht durchbekomme. Andererseits: Der Fernunterricht hatte schon auch sein Gutes. Die Videokonferenzen waren viel besser strukturiert, als ich es sonst von meinem Unterricht kenne, die Schüler haben aber auch viel weniger gestört. Vielleicht ist das ja das Unterrichtsmodell der Zukunft? Ok, die Aufgaben haben sie nicht immer perfekt und manchmal auch gar nicht gemacht, aber das ist ja sonst auch so… Also liebes KM, wenn ihr die Schulen dicht machen wollt, dann bitte über einen Zeitraum von mehr als vier Wochen, dann passt das mit den Klassenarbeiten auch wieder.“

Die Schüler:innen: „Nicht schon wieder… lasst doch die Schulen offen. Wisst ihr eigentlich, wie ätzend das Zuhause war? Alle da, keiner für sich, und jeder am Motzen. Ich dachte immer, ich bin in der Pubertät, aber ganz ehrlich, ich glaub der Rest der Familie auch. Ist ja nicht so, dass es nur Mist ist im Fernunterricht. Da kann man sich toll wegducken, ohne dass es groß gesehen wird. So viele Serien wie im letzten Jahr hab ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Und das Zeugnis war ok, hat sich ja keiner getraut, schlechte Noten zu geben. War ja Corona.
Was mich schon angekotzt hat: Ich hab eigentlich kaum Zeit gehabt, was mit Freunden zu machen und der Sport war auch nichts. Wenn ich heute wählen dürfte, würde ich Schule wählen. Auch wenn die dann wieder voll stressen, weil sie jetzt noch auf Druck alle Klassenarbeiten schreiben wollen, falls die die Schulen doch nochmal zumachen.“

So oder ähnlich könnte es klingen.
Ich gebe zu, ich habe die Väter vernachlässigt. Warum? Weil ich mir (leider) ziemlich sicher bin, dass es die Rolle der Mütter ist, den „Schulausfall“ aufzufangen. Wenn die Väter selber im Homeoffices sind, ist das nochmal eine andere Sache und macht vermutlich auch keinen Spaß. Dann sind noch mehr Menschen auf engem Raum zusammen.

Worauf ich hinaus wollte: Wird Corona irgendwas hinterlassen haben, das mehr ist als digitale Müdigkeit, als der Frust über nicht unterrichteten Stoff und das Stoßgebet, es möge wenigstens Betreuung angeboten werden?
Immer wieder hört man von „Corona als Brennglas“, spricht man davon, dass Corona Mängel und Probleme deutlich gemacht hat. Das heißt dann ja aber: Es gab das alles schon vorher.
Und hier sind wir beim Thema:
Wenn wir nicht vom Kind aus denken, den Menschen in seiner Würde sehen, was sind wir dann, was ist SCHULE denn dann? Nichts weiter, als eine Aufbewahrungsstätte, ein Ort, der einem Curriculum verhaftet ist, das mehr von gestern als von morgen ist, ein Raum, in dem kein Raum für eigenständige Entwicklung bleibt, weil dafür die Zeit fehlt.

Was also muss eine Schule leisten, die sich dem Kind verschrieben hat? Und wie sehr spielen die Lebensumstände der Eltern hier auch eine Rolle?
Wenn wir „Schule neu denken“, Schule „vom Kind aus“ denken, müssen wir dann nicht auch die Lebensrealität unserer Kinder in den Blick nehmen? Und dazu gehört das familiäre Umfeld.

© 2024 Schule neu denken

Theme von Anders NorénHoch ↑