Schule neu denken

Kann die Schule von heute noch die Schule von morgen sein?

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Warum ich mir eine „neue Schule“ wünsche…

Ich bin Lehrerin, mit Leib und Seele. Das könnte inzwischen durchgesickert sein. Ich war Schülerin mit Leib und Seele und mit allem, was Schüler so zu bieten haben. Auch das hab ich an der einen oder anderen Stelle schon erwähnt. Als ich während der Lehramtsausbildung mein zweiwöchiges Praktikum an meiner ehemaligen Schule gemacht habe, wusste ich DAS ist mein Beruf, meine Berufung. Die Kommentare meiner „ehemaligen“ Lehrer waren sehr interessant:

Mein Kunstprof, der mich während der Schulzeit recht selten gesehen hatte -ich konnte einfach nicht mit ihm-, meinte:
„Super, zuerst hast du uns Lehrer genervt, jetzt willst du Schüler nerven…“ Meine Philosophie-/Geschichtslehrerin sagte ganz trocken:
„Ich wünsche dir, dass du alles das zurückbekommst, das du uns angetan hast.“ Und das meinte sie sicher nicht nur böse, denn eigentlich mochten wir uns.

Meine Deutschlehrerin war schon damals mein großes Vorbild und ist es bis heute geblieben. Bei ihr durfte ich auch das Praktikum machen. Ich weiß noch, wie sie mich einmal dazu „gezwungen“ hat, mich endlich mit der Erörterung auseinanderzusetzen… Ich habe es gehasst, und auch das hat mich in meiner Entscheidung, Lehrerin zu werden, bestärkt. Sie wusste, mit mir umzugehen.

Etwas ist also schon während der Schulzeit entstanden. Vielleicht nicht der Wunsch zu unterrichten, aber das Gefühl mit Menschen können zu können. Und mich von Menschen inspirieren zu lassen. Vielleicht sollte man sich einfach mal fragen:

Reicht das denn? Oder reicht das denn nicht? Was muss ein guter Lehrer, eine gute Lehrerin denn heute können? Welches Wissen muss vermittelt werden? Schulwissen? „Lebensweisheit“? Geschichte und Geschichten?

Ich wünsche mir eine neue Schule, will #SchuleNeuDenken, will #vomKindaus aufs Kind schauen. Doch mit welchem Blick? Aus welcher Ecke und mit welchem Ziel?

Wenn ich ein Kind wäre (kann ich mich denn als Erwachsener überhaupt in Kinder hineinversetzen?), was würde ich wollen? Gute Noten? Viele Freunde? Selber Entscheidungen treffen?

Ich maße mir nicht an zu wissen, was gut für Kinder ist. Aber ich wünsche mir für MEINE Kinder Menschen, die sie an die Hand nehmen und ein Stück weit begleiten. Die den Weg mit ihnen gehen. Wieviele Stunden am Tag verbringen Kinder in der Schule? Und wieviele Stunden zu Hause?

Es ist glasklar, dass wir Eltern die Referenzpunkt für unsere Kinder sind. Wir waren das immer schon, wir werden es -hoffentlich- auch bleiben. Dieses Recht kann und wird uns keiner nehmen, ebensowenig wie diese PFLICHT.

Doch wie weit darf oder muss Schule sich einmischen? Ich höre immer wieder „Erziehungsauftrag“. Meine Deutschlehrerin hat ihn wahrgenommen. Sie hat an meiner Erziehung mitgewirkt, indem sie mir Vorbild war (und bis heute ist!!!).

Erziehung ist Auftrag und Recht der Eltern. Erziehung hat aber auch was mit Schule zu tun. Eine Schule, in der Eltern, Lehrpersonal und alle, die sonst zum Schulleben so dazugehören (Hausmeister:innen, Küchenpersonal, Sekretariatsangestellte, Erzieher:innen und Tagesheimangestellte, …), vertrauensvollen Umgang miteinander pflegen, sollte alltäglich sein.

Reicht ein „Werteabgleich“? Wer muss auf wen zugehen? Oder muss es Schulen für unterschiedliche „Leben“ geben. „Das Kind im Mittelpunkt“, wie es der Marchtaler Plan vorsieht, ist ein wunderbarer Gedanke, „Hilf mir, es selbst zu tun“ von Maria Montessori, geht in ebendiese Richtung. Viele christlich geprägten Schulen stehen ebenfalls für oder hinter so einer Pädagogik. Doch nicht immer verstehen alle, was damit gemeint ist.

Und so wünsche ich mir eine neue Schule. Eine Schule, die nicht um Schülerzahlen zittern muss, weil sie eine von vielen ist, die das anbietet, was alle anderen auch tun. Ich wünsche mir eine Schule, die dem Kind (vielleicht auch „dem Kind in MIR“) gerecht wird, die die Eltern nicht nur informiert, sondern mit einbindet, die Lehrerinnen und Lehrer einstellt, die sich mit den Werten der Schule und der Kinder identifizieren und so die Schule lebendig machen.

Wenn ich Schule neu denke, dann träume ich.
Und meine Träume sind bunt
und vielfältig
und voller Leben.

Definiere „Schule“…

Ich hab mal in die Runde gefragt: „Was ist Schule für dich?“

Kind: „Schule halt.“
Ich: „Heißt?“
Kind: „Schule eben.“
Ich: „Und wenn du es erklären müsstest?“
Kind: „Keine Ahnung…“

Kind: „Wie, was ist Schule?“
Ich: „Ja. WAS ist Schule?“
Kind: „Ein Gebäude, das manchmal sehr nervt.“
Ich : „Sonst nichts?“
Kind: „Es ist groß, es hat viele Teile, das gibt es viele Schüler und es ist ein Ort, an den man seine Kinder schickt, wenn man seine Ruhe haben will. Finde ich jedenfalls.“
Dann hat sich das Kind, immerhin mit einem Kuss, verabschiedet.

Ganz schön schwierig, wenn du selbst aus der Ecke kommst, dass Schule so viel mehr sein könnte/sollte.
Eigentlich dachte ich auch, dass Schule mehr sei als nur ein Aufbewahrungsort. Doch in Zeiten von Corona ist Schule noch mehr zu dem geworden, was sie
-meines Erachtens nach- schon lange nicht mehr sein sollte: Ein Ort, an dem sich die Kinder aufhalten, während die Eltern arbeiten.

Und so frage ich mich: Was ist Schule denn nun wirklich?

Backflash: Für mich war Schule immer ein Ort, an dem ich gern war. Ich war eine gute Schülerin, in der Mittelstufe eher faul, und es hat noch nichtmal immer gereicht. Und trotzdem verbinde ich nichts Negatives mit dem Begriff „Schule“. Manche Fächer waren mehr für die Katz‘ als andere. Manche Fächer sind irgendwie bis zum Abi an mir vorbeigezogen (und haben mich dann mit einer unerklärlichen Wucht wieder eingeholt…), manche Inhalte haben mein Leben bereichert, andere haben mich nicht im Geringsten tangiert. Aber das war ja der Unterricht.

Ist „Schule“ Unterricht?
Ist „Schule“ NUR Unterricht?
Ist „Schule“ das Gebäude?
Ist „Schule“ etwas, das aus vielen Teilen besteht?

Das wäre dann ja immerhin ein Lichtblick. Vielleicht sollte man die Teile sinnvoll zusammensetzen.

Meine Vision: Eine Schule, die vom Kind aus gedacht für Kinder gemacht ist. Es kann nicht sein, dass wir heute noch so ticken, wie vor 200 Jahren. Damals waren die Klassen noch etwas größer (auch schon mal über 50 Kinder in einem Raum), der Lehrer war der einzige Pädagoge (oder so was ähnliches) und es ging darum, die künftigen Generationen soweit zu unterrichten, dass sie die Bedürfnisse des Staates nachvollziehen und sich damit identifizieren konnten, um dem Staat ohne tiefere Nachfrage zu dienen.

Heute versuchen wir (hoffe ich wenigstens) unsere Schüler zu mündigen Schülern mit einem eigenen Kopf und eigenen Gedanken zu „erziehen“.
Und doch steckt im Wort „erziehen“ auch das Wort „ziehen“. Was wäre denn mit „befähigen“ oder mit „darin unterstützen zu…“

Und so versuche ich, aus einem „viele-Teile-Puzzle“ ein Bild zu erstellen…
Eines, das nicht mehr dem entspricht, das ich im Kopf habe, denn ich scheine nicht mehr up-to-date zu sein.
Um zu wissen, was Kinder brauchen, muss man wohl auch Kinder fragen. Und man muss vermutlich einen guten Moment erwischen. Einen, in dem sie nicht grad am Gamen oder am Chillen sind, einen Moment, in dem sie auch mal darüber nachdenken wollen, was sie sich für ihren „Alltag“ wünschten, wenn ihnen eine gute Fee begegnete.

Und dann wird „Schule“ vielleicht ein Ort, der gut ist, ein Gefühl, für das es morgens lohnt aufzustehen.

Wie war das gleich mit dem Biorhythmus?

Ich kenn mich da ja nicht so aus. Und eigentlich ist es mir ja auch egal oder so.
Aber es hätte schon was, wenn meine Kinder ausgeschlafen in die Schule gehen könnte. UND wenn meine Schüler ausgeschlafen in der ersten Stunde erscheinen würden

Chances are: das wird vielleicht doch nochmal was?
Obwohl ich da nicht so viel Hoffnung habe.
„Warum beginnt denn die Schule hier schon um 07:30 Uhr?“
„Die Schulbusse kommen hier so früh an.“
„Aber wenn ihr hier später anfangen würdet?“
„Geht nicht, da fahren keine Busse mehr.“

Heißt: Der Dienstleister hat das Sagen.
Ich sorge dafür, dass die Kinder an die Schule kommen, die bezahlen dafür (je nach dem, wo du wohnst, MEHR als Erwachsene im regulären Busverkehr für die selbe Strecke zahlen würden) und ICH bestimme eure Anfangszeiten.

Finde ich schwierig. Aber ich bin natürlich keine Geschäftsfrau. Ich bin eher Mutter und Lehrerin und ganz schön oft ganz schön müde.
Und wenn ich erst um 08:20 anfangen müsste, fände ich das schon sehr cool.

Ich bin mir auch nicht wirklich sicher, ob ein späterer Schulbeginn tatsächlich etwas bringen würde. Vor allem, weil ich mich grad selber frage: WAS sollte er denn bringen?

Nicht, dass ich nicht glaube, dass es den Biorhythmus gibt. Und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass Schulen einiges an Stress rausnehmen könnten, wenn sie es schafften, die Anfangszeiten zu flexibilisieren. Was, wenn Schüler selber entscheiden könnten, ob sie um halb 8 oder um halb 9 anfangen wollten?

Das wäre doch mal was.
Wenn ich den Gedanken weiterspinne und mal nur an die Kinder denke, hieße das für Lehrende vielleicht, dass sie morgens sowas wie Zeit hätten. Zeit sich abzusprechen, Ideen auszutauschen, gemeinsamen Unterricht weiterzuentwickeln.

Sowas passiert auch jetzt, ich weiß. Und ich kenne Ideen, an den einzelnen Unterrichtseinheiten ein paar Minuten abzuknapsen, um so zu Kooperationszeit zu kommen. Auch das ist denkbar. Aber warum nicht zwei Fliegen mit einer Klappe?

Gerade in der Pubertät sind die Kinder doch tendenziell Spätaufsteher. Meine jedenfalls. Und ganz ehrlich, in der Pubertät meiner Kinder werde ich NICHT zur Frühaufsteherin. Unsere Diskussionen gehen oft bis weit nach Schlafenszeit…

und auch deshalb fände ich flexible Anfangszeiten cool. Sowas wie eine „Boardingtime“. Aber mit klaren Regeln: „Wenn du hier bist, dann komm gut an. Mach Hausis (falls es die in dem Konzept noch gibt), wiederhole mit anderen, hilf anderen, sei ein Teil der Gemeinschaft“

Trauen wir uns sowas zu? Auch als Eltern? Denn für uns heißt es dann auch: Flexibel sein im Arbeitsbeginn oder in dem, was wir unseren Kindern zutrauen. Wenn ich um halb acht aus dem Haus gehe, wird mein Pubertier dann aufstehen und sich auf halb 9 in Richtung Schule bewegt haben? Ich bin mir nicht sicher. Aber vielleicht muss ich „Muttertier“ hier auch mal in Richtung Eigenverantwortung denken… Und zulassen, dass auch meine Kinder erwachsen werden…

Ein Dorf, ein Kind großzuziehen

Warum gibt es diesen Satz, diese Idee?
Was steckt dahinter?
Was hat ein Dorf, das eine Schule nicht bieten kann?

  • Menschen? – sind da
  • Gebäude? – sind da
  • Kirchen? – sind da
  • Friedhöfe? – fehlen
  • Spielplätze? – sind da
  • Geschäfte? – evtl. in anderer Form, aber da
  • Bushaltestelle? – ist da
  • Natur? – mit etwas Glück
  • Echte Bezugspersonen? – sollten da sein
  • Regeln für ein Miteinander? – sind da

Und so fehlt es, glaub ich, doch irgendwie an den Menschen.
Was macht ein Dorf aus? Die Vielfältigkeit, das Miteinander, manchmal auch das Gegeneinander.
Ich kommen aus einem Dorf, einem recht kleinen noch dazu. Und meine Schulzeit… Ich würde sagen, das „Dorf“ hat mich mit erzogen. (Die Frage ob das gelungen ist, lassen wir mal unbeantwortet…).

Der Pfarrer hat mich in der Kirche gesehen (Religionsunterricht abgedeckt…) und wenn ich mich dort nicht „benommen“ hatte, war das Thema in der Schule. Einige meiner Lehrer habe ich geduzt, wenn sie mir auf dem Schulweg begegnet sind, denn sie waren für mich mehr als nur Lehrer, im Unterricht habe ich sie gesiezt. So wie ich andere Erwachsene auch gesiezt habe, weil sich das so gehört…

Selbst beim Aprilscherz hat das „Dorf“ mitgemacht… Zum Bäcker gelaufen um eine Portion „i-bin-dumm“ und ein Schächtelchen „Hau-mi-blau“ und mit dem Verweis nach Hause geschickt worden, wäre an dem Tag schon 10 Mal über den Ladentisch gegangen und jetzt leider aus.

Auch so funktioniert lernen.
Von einander, MIT einander und manchmal auch über einander.

Was der Schule also fehlt, sind nicht nur die Friedhöfen, auch wenn ich denke, dass das Wissen um Endlichkeit und Sterblichkeit auch in die Erziehung der Kinder gehört, sondern die Verknüpfungen zwischen den Ebenen.
Das Wissen ist das eine, die Beziehungen sind das andere.

Vielleicht könnte eine Schule ja auch sowas sein wie ein „Mehr-Generationen-Haus“… Vielleicht würde das schon reichen…

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